„Kümmert Euch um den Menschen vor der Kamera“

„Der Beutler“ über Menschlichkeit, Selbstzweifel und die Geduld für die besonderen Augenblicke.

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PMIG: Stefan, obwohl Du in der Szene für sehr viele Fotografen eine Koryphäe, Vorbild und Inspiration bist, weiß man über Dich, sofern man Dich nicht persönlich kennt, sehr wenig. Schildere mir doch einmal kurz Deinen fotografischen Werdegang.

Stefan Beutler: Nun, ich glaube ich habe wie so viele begonnen. Schon als Kind habe ich mich für die Fotografie interessiert. In meiner Ausbildung habe ich mir die erste gebrauchte SLR gekauft, später dann noch eine weitere. Dunkelkammer usw. habe ich auch alles durchlebt, aber so richtig bewusst habe ich mich für die Fotografie seit der Einführung der Digitalfotografie interessiert. Mittlerweile auch schon gute 14 Jahre her. Seit dem ist die Fotografie ein essentieller Bestandteil meines Lebens und ein wunderbarer Ausgleich zum Job.

PMIG: Deine Fotos haben eine individuelle Bildsprache. Neben der herausragenden künstlerischen Komponente, stechen Tiefe und Emotion ins Auge. Was fasziniert Dich an dieser Art der Fotografie?

Stefan Beutler: Es ist die Mischung. Mich fasziniert die Fotografie. Aber in Kombination mit dem Menschen, den ich an dem Tag fotografieren darf, komplettiert es die Faszination. Sofern es die Person zulässt, versuche ich sämtliche Facetten des Menschen hervorzubringen. Lässt es die Person zu, entstehen wunderbare, authentische Momente.

PMIG: Deinen Namen verbindet man mit SW-Fotos, obwohl Du auch sehr gute Farbfotos zeigst. Woher kommt Deine Liebe zur SW Fotografie?

Stefan Beutler: SW Fotos sind ehrlicher, weil keine Farben das Geschehen oder von der Person ablenken, und ich bin eine faule Socke was die Bildbearbeitung angeht.

PMIG: Du fotografierst sehr viele freie Arbeiten. Was macht in Deinen Augen nach wie vor den Reiz eines TFP Shootings aus?

Stefan Beutler: Der Reiz ist ganz klar. Ich kann mir aussuchen wann, wo und vor allem mit wem ich meine Freizeit verbringe. Ohne Stress, ohne Druck. Wir alle haben Stress im Studium, in der Schule oder bei Arbeit. Da muss ich nicht noch meine Freizeit mit Stress verbinden. Daher die Entscheidung für freie Projekte.

PMIG: Wenn ich mit anderen Fotografen über Fotografie spreche, fällt sehr häufig das Wort Passion oder Leidenschaft. Inwieweit beeinflusst die Leidenschaft Menschenfotografie Deinen Alltag und Deine Freizeit? Mit anderen Worten: Lässt Dich die Fotografie auch beizeiten los?

Stefan Beutler: Ich nehme mir diese Auszeiten, dieses Loslassen, bewusst um den Kopf wieder frei zu bekommen. Um mit neuer Energie, neuer Motivation an neue Projekte heranzugehen. Noch ein Vorteil der freien Arbeiten. So kommt es jedes Jahr vor, dass ich mir eine Auszeit von mehreren Wochen, sogar Monaten nehme. Diese Zeit geniesse ich sehr.

PMIG: Fotos mit Stefan Beutler zu machen ist für sehr viele Modelle ein Herzenswunsch. Dahinter steckt nicht nur die Sehnsucht nach erstklassigen Fotos, sondern manchmal auch das Wissen einen herzlichen Menschen und guten Gesprächspartner vorzufinden. Wie erklärst Du Dir das, und was sagt das über die Zeit aus in der wir Leben?

Stefan Beutler: Ich bin ein sehr guter Zuhörer und die Person hat an dem Tag 1000 prozentige Aufmerksamkeit. Vielleicht ist es das Geheimnis. Einfach zuhören und nicht oberflächlich reagieren. Es gibt sehr viele Modelle, die für die Zeit des Shootings Teil der Familie werden. Sie lernen meine Frau kennen, werden von unseren Katern umgarnt und von uns verwöhnt. Ich denke, das ist in der heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit mehr und vielleicht deswegen so gern gesehen. Wir leben in einer zunehmend oberflächlichen Gesellschaft und etwas Aufmerksamkeit kann dann für besondere Augenblicke sorgen, fernab von Instagram und Facebook.

PMIG: Wie selbstkritisch bist Du mit Deinen Werken, und welche Rolle spielt Druck in Deinem fotografischen Leben?

Stefan Beutler: Ich bin ein extrem selbstkritischer Mensch und ich zweifle permanent an mir und meinen fotografischen Arbeiten. Mit einer der Gründe warum ich bevorzugt freie Arbeiten umsetze. Der Druck ist weitaus geringer als bei gebuchten und bezahlten Projekten.

PMIG: Mit Deinen Workshops verfolgst Du einen anderen Ansatz als die meisten anderen Fotografen. Die Interaktion mit dem Menschen vor der Kamera steht im Mittelpunkt. Erzähle mal wie Du darauf gekommen bist?

Stefan Beutler: Ich habe mich vor Jahren selbst reflektiert und überlegt, was meine Bilder ausmacht. Es ist nicht nur die fotografische, sondern zu 50-70Prozent die menschliche Komponente. Und das ist genau der Punkt den ich in Workshops vermitteln möchte. Vergesst die Technik, sondern kümmert euch um den Menschen vor der Kamera und erkennt die Situation, die sich im Gespräch ergibt. Diese ist besonders, einmalig und gestattet keinen zweiten Versuch.

PMIG: Wenn Du den Fotografen Stefan Beutler in einem Satz beschreiben würdest, wie würde dieser lauten?

Stefan Beutler: Selbstbeschreibung mag ich nicht, aber ich denke „leiser Riese“ passt ganz gut. Und jeder der mich einmal gesehen hat versteht was ich meine.

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