„Lass dich inspirieren! Es gibt jeden Tag etwas zu lernen!“

Nicht nur inspirierende Werke, auch ein inspirierender Mensch. Jean Noir über die spezielle Bedeutung von Licht, Fluch und Segen von Social Media sowie die Vorteile die eigene Komfortzone zu verlassen.

Lesezeit: ca. 5 Minuten

PMIG: Wie lange fotografierst Du schon? Wie bist du zur Fotografie gekommen?

JEAN NOIR: Ich habe erst im Juli 2012 angefangen, also vor 6 Jahren und bin über eine gute Freundin zur Fotografie gekommen. Wie es im Leben so ist, ein paar schlechte Zeiten gehabt, ziemlich down gewesen, und da hat die Fotografie dazu beigetragen sich ein bisschen aus diesem Loch herauszuarbeiten und mir viel gegeben. Da ich mich früher schon viel mit Malerei beschäftigt habe und mich generell sehr für den künstlerischen Bereich interessiere, war das für mich ein Anfang, an dem ich gemerkt habe, dass es mir sehr Spass macht und mir viel geben kann.

PMIG: Aus dem altgriechischen übersetzt bedeutet Fotografie „Malen mit Licht“. Was bedeutet es für Dich?

JEAN NOIR: Malen mit Licht bzw. Licht lesen und ein Gefühl für das Licht zu besitzen trifft es für mich ziemlich genau. Wie setzt man es ein? Wie kombiniert man es mit Schatten? Wie arbeitet man gezielt mit Kontrasten und nutzt das Licht als mystisches Element? Wie kombiniere ich das alles und arbeite gezielt mit dem Menschen vor der Kamera?

Das Gefühl, Ausdruck, Message, Licht. Malen mit Licht ist eine Kunst für sich. Dementsprechend entstehen einzigartige Bilder. Es ist für mich sehr wichtig meine eigenen Bilder umzusetzen und meine eigene Bildsprache einfließen zu lassen. Dadurch wird es zum Malen mit Licht.

PMIG: Ein Model ist für Dich eine leere Leinwand oder das fertige Motiv dem Du einen schönen Rahmen gibst?

JEAN NOIR: Da würde ich ganz anders ansetzen. Ich arbeite nie mit dem Model, sondern ich arbeite wirklich mit dem Menschen, mit dem Charakter dahinter. Weder ein Model, noch ein Mensch sind eine leere Leinwand und werden dann als Motiv eingerahmt. Am Ende ist es die Persönlichkeit, die man mit ins Bild einbringen will, mit gewissen künstlerischen Zügen. Eigentlich ist es der Mensch, den man mit sich selbst kombiniert und mit dem man sich wirklich irgendwann auf einer Linie trifft und sagt: Genau das wollen wir umsetzen, genau das wollen wir ins Bild reinbringen und genau das wollen wir auch so festhalten.

PMIG: In Zeiten von Facebook und Instagram scheint sich die Fotografie zu etwas Inflationärem entwickelt zu haben. Wie hat Social Media aus Deiner Sicht die Fotografie verändert?

JEAN NOIR: Ich glaube Social Media ist für uns Fluch und Segen zugleich. Wir hatten noch nie so viele Möglichkeiten uns zu verbinden, und auch ich wäre ohne Social Media niemals da wo ich jetzt bin. Dennoch nimmt es zu viel Einfluss auf unsere Fotografie und unser Privatleben. Viele scheinen das zu akzeptieren und schwimmen in der Masse mit um mehr Likes zu bekommen. Dabei wird verdrängt, was ein Foto wirklich ausmacht. Was steckt dahinter? Nicht nur im Hinblick auf die Technik. Der Wert eines Fotos ist heutzutage durch Social Media und die Nutzung von Mobiltelefonen komplett verloren gegangen. Man macht sich keine Gedanken mehr um Motive, Blickwinkel oder die Botschaft, sondern knippst und retuschiert drauflos. Seitdem es kostengünstige Apps & Cloudlösungen zur Bildbearbeitung gibt, versucht sich jeder als Fotograf und Bildbearbeiter. Das macht meiner Meinung nach das Medium Foto kaputt und leider wird das auch noch die nächsten Jahre so sein. In meinen Workshops versuche ich dazu einen Gegenpol zu schaffen, das Bewusstsein wieder neu zu schärfen. Ein Bild muss keine perfekte Schärfe haben, sondern eine wirkliche Message, um Klasse statt Masse festzuhalten. Mein Motto zum Thema: „Be yourself in times of Social Media“.

PMIG: Wie bereitest Du Dich auf ein Shooting vor?

JEAN NOIR: Speziell in den letzten 2 Jahren fokussiere ich mich sehr auf die Vorbereitung eines Shootings. 95 Prozent fallen mittlerweile in diesen Bereich. Ausarbeitung von Ideen, Moodboards, Lichtquellen & Einsatz. Final macht genau diese intensive Planung das Bild aus. Zur Vorbereitung zählen für mich auch Telefonate mit dem Menschen vor der Kamera um einen kompletten Eindruck des Charakters zu bekommen. Aber auch um die Visionen der Schüsse und der Zusammenarbeit möglichst detailliert ausarbeiten zu können.

PMIG: Was sind die drei wichtigsten Fragen die Du dem Menschen stellst, um danach die Persönlichkeit richtig in Szene zu setzen?

JEAN NOIR: Je nachdem wie offen der Mensch ist, mit dem ich arbeiten werde, sind Fragen zu Stärken und Schwächen, Selbsteinschätzung als auch Selbstreflektion sehr wichtig für mich. Aber auch Themen wie z.B. die „Schokoladenseite“, die der Mensch für sich selbst definiert hat. Wir besprechen auch innerhalb der Mood-Erstellung, die Rollen, die sich der Mensch vor der Kamera selbst zutraut, und die Ideen mit denen er sich selbst identifizieren kann.

PMIG: Welches ist die häufigste Frage, die Du von Workshop-Teilnehmern gestellt bekommst, wenn es um die Nutzung natürlicher Lichtquellen geht? Worauf sollte besonders geachtet werden?

JEAN NOIR: Licht bzw. Lichtsituationen zu erkennen und final damit arbeiten zu können. Mir ist speziell in den letzten 2 Jahren ganz intensiv aufgefallen wie verschlossen die Menschen sind, und sich nicht durch Licht inspirieren lassen bzw. überhaupt nicht das Licht sehen oder fühlen können. Sie bewegen sich in ihrer Komfortzone, arbeiten mit dem Gewohnten, und sind Neuem gegenüber verschlossen. Neue Dinge auszuprobieren und etwas zu riskieren fällt vielen sehr schwer. Dadurch fotografieren viele immer wieder das gleiche.

PMIG: Welche Dinge sollten unbedingt vermieden werden, um authentische Fotos mit Tiefe zu erhalten?

JEAN NOIR: Das Bewusstsein für das „NEUE“ sollte nicht verdrängt werden. Viele Fotografen arbeiten unbewusst darauf hin, dass die Fotos Social Media tauglich sind und regelrecht nur dafür produziert werden um dort möglichst viel Erfolg zu haben. Ein typisches Portrait, strahlend, farbige Augen, das Gegenlichtfoto mit einer schönen Frau. „Sex Sells“ sitzt auch zu tief in den Köpfen, weil dieser Stil die meiste Social Media-Aufmerksamkeit, insbesondere bei Instagram, erzeugt. Ich denke, der richtige Weg um seine eigene Signatur finden zu können, ist, auch mal das Haifischbecken zu verlassen und einmal etwas anderes zu fotografieren bzw. anders zu fotografieren. Mit Mainstream wird man früher oder später vermutlich auf der Strecke bleiben.

PMIG: Welches Equipment ist für Deine Art der Fotografie unverzichtbar?

JEAN NOIR: Natürlich meine Kamera und meine Objektive. Wichtig für mich sind, insbesonders für meine NOI’A’R’T Serien, das Prisma und verschiedene Cremes für einen Glanzeffekt. Aber auch Lichtquellen von Rotolight (NEO2 & AEOS) zur Ergänzung/Erweiterung von natürlichem Licht.

PMIG: Wie ist Dein Workflow während und nach einem Fotoshooting?

JEAN NOIR: Mein kompletter Workflow geht von der intensiven Vorbereitung, über die Erstellung von Moods (Bildideen, Visionen), über die Auswahl von Outfits, bis zum Aufbau von Sets und der kreativen Umsetzung mit gegebenen Lichtsituation. Wie schon kurz erwähnt, arbeite ich auch sehr viel mit LED Lichtquellen von Rotolight. Um das natürliche Licht zu ergänzen oder zu erweitern setze ich Dauerlicht oder LED Blitze ein. Meine Finalisierung der Bilder findet dann im RAW Converter von Adobe statt. Die Erstellung des Looks und der letzte Feinschliff in Photoshop. Zum Workflow gehört auch mein komplettes Backup-Prozedere bei dem ich meine neuen Arbeiten über meine DROBO Systeme sichere, und diese dann zusätzlich mit Amazon Drive synchronisiere um die bestmögliche Sicherheit zu haben.

PMIG: Was wäre Dein Ratschlag an einen unerfahrenen Kollegen?

JEAN NOIR: Lasse dich inspirieren! Es gibt jeden Tag etwas zu lernen! Man lernt nie aus! Und egal von wem, du kannst Dir immer irgendein Detail herausnehmen. Du durchläufst einen kontinuierlichen Prozess. Wer aufhört zu lernen, oder nicht die Bereitschaft dazu hat, der hat schon verloren. Das ist nicht nur in der Fotografie so. Das ist auch auf das ganze Leben bezogen. Ganz persönliche Tipps erfahren Teilnehmer in meinen Noir Intense Choachings in denen es nicht nur um die Fotografie an sich geht, sondern auch um das Verständnis wie man als Mensch hinter der Kamera mit dem Menschen vor der Kamera arbeitet.

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